Titelbild Pfarrei Heilig Geist

St. Peter & Paul Villmar

Geschichte der Grundherrschaft und Pfarrei

Die urkundlich belegte Geschichte Villmars beginnt im Jahr 1053 mit der Schenkung des Königshofs Vilimar „mit allem Zubehör“ durch Kaiser Heinrich III. an die Trierer Abtei St. Eucharius (später St. Matthias – siehe obige Übergabeszene auf der Rückseite der Mattheiser Staurothek, 13. Jh.). Dieser Hof mit umfangreichem Grundbesitz bildet die Keimzelle Villmars. Seine Ursprünge liegen im Dunkeln – Grabungsfunde im Bereich der „Burg“ bei Erweiterung des Friedhofs in den 1840er Jahren führten zu Mutmaßungen über eine römische Ansiedlung. Der Ortsname mit seiner „mar“-Endung weist auf ein sehr hohes Alter hin, wie auch Grabhügel und Bodenfunde in der Gemarkung eine keltische Besiedlung belegen. Konkretere Hinweise liefert das Kirchenwesen: Urkunden aus dem 12. Jh. nennen die Kirchen zu Arfurt, Oberbrechen, Wenigenvillmar (heute Runkel/Schadeck) und Weyer als Filialen der Mutterkirche zu Villmar. Da die Weyerer Kirche schon um die Zeit der Ersterwähnung des Ortes (790) bestanden haben dürfte, ist die Villmarer Kirche mindestens ebenso alt. Nach dem Limburger Historiker Prof. Matthias Kloft spricht sogar einiges dafür, dass Villmar mit dem Petrus-Patrozinium eine direkte Trierer Gründung (Domkirche St. Peter) war und nicht zur Urpfarrei Bergen gehörte. Die Berger Kirche dürfte von Mainz gegründet worden sein (Martins-Patrozinium, später nach der Schenkung an das Limburger Stift im Jahr 910 St. Georg). Insgesamt gehörten zum Villmarer Zehntbezirk 15 Orte.

Im Laufe des Mittelalters bauten die von der Abtei eingesetzten Isenburger Vögte Villmar zu einer Festung aus, während die Mönche ab dem späten 13. Jh. die Seelsorge vor Ort übernahmen. Schon 1154 war die Pfarrei der Abtei einverleibt worden und seit 1460 der jeweilige Abt formal Pfarrer von Villmar – vor Ort vertreten durch einen Hilfsgeistlichen (Pastor), der auch als Cellerar die Güter verwaltete. Als erster Nachweis einer Lateinschule wird 1304 ein Mönch Heinrich als „Scholaster und Knabenrektor in Villmar“ erwähnt. Zu dieser Zeit dürfte in St. Matthias zum Gebrauch in der Pfarrei Villmar eine der wichtigsten Abschriften von Hildegard v. Bingens Heilkunde „Physica“ angefertigt worden sein, die sich heute in der Biblioteca Medicea Laurenziana zu Florenz befindet. Das 14. Jh. ist von kriegerischen Konflikten zwischen den Villmarer Vögten und dem aufstrebenden Kurtrier geprägt, was 1360 in der Zerstörung der Burg Gretenstein gipfelte. Zweimal konnte die Festung Villmar erst nach wochenlanger Belagerung gestürmt werden; durchsetzen konnte Kurtrier seine Ansprüche jedoch nicht. 1346 erhielt der Ort durch Kurfürst Balduin Stadtrechte, die aber nicht zur praktischen Anwendung kamen.

Der Flecken Villmar war ein wertvoller Besitz, den die Abtei im fernen Trier nie gegen näher gelegene Güter tauschte. Allein der Pfarrhof besaß ca. 1/8 der gesamten Acker- und Wiesenfläche von Villmar und Arfurt und zur Einbringung der Ernte mussten die Einwohner Villmars keine Frondienste leisten, sondern wurden als Tagelöhner bar bezahlt. Im 16. Jh. tagte hier viermal der Wetterauer Grafenverein, was die Leistungsfähigkeit des Hofs beweist, wie auch zur Huldigung des neuen Abts Petrus Olevien 1526 mehrere 100 Menschen und Pferde in Villmar und Umgebung untergebracht und verpflegt werden konnten. In den Wirren der Reformation aber entschloss sich die Abtei, den Hof an Kurtrier zu verpachten und die mit dem Vogteirecht verbundene Landeshoheit an diesen mächtigen katholischen Landesherren abzugeben. Dies war Kurtrier eine Ablösesumme von 14.000 Gulden an die Inhaber der Vogtei wert. Die Inventarliste des Pfarrhofs erwähnt 1586 einen für eine ländliche Pfarrei außergewöhnlichen Buchbestand von etwa 100 Bänden; 1706 waren es schon fast 200.

Im 18. Jh. hatte sich der Ort von den Folgen des 30-jährigen Krieges erholt und die Bevölkerung wuchs bis 1790 auf 950 Einwohner. Die wirtschaftliche Blüte zeigt sich im Neubau der Pfarrkirche (1746-49) mit ihrer reichen Ausstattung im Stil des Hadamarer Barocks (1750-64), sowie den repräsentativen Torbögen zum Pfarrhof (Matthiaspforte) und zum Pfarrgarten (Valeriuspforte). Deren Inschriften verweisen provokant auf die 1719 endgültig an Kurtrier verlorene Landeshoheit und zeugen von einem immer noch selbstbewussten Pfarr- und Grundherren, der 1641 den Pfarrhof – nach 78 Jahren Verpachtung ziemlich heruntergewirtschaftet – zurück erhalten hatte. Den Pfarrgarten ließ der Villmarer Pastor Modestus Manheim 1728 nach seiner Wahl zum Abt durch einen Marmorbrunnen verschönern.

Eine große Zäsur brachte die Säkularisierung im Gefolge der französischen Revolution. Vor der Besetzung der Trierer Abtei durch die Revolutionstruppen flohen 14 von 21 Mönchen zu ihren drei Mitbrüdern nach Villmar, kehrten aber nach kurzer Zeit zurück. 1802 wurde die Abtei aufgehoben und ihr Besitz enteignet, die Mönche erhielten Pensionen oder Abfindungen. Die Villmarer Güter fielen nach Streitigkeiten mit Nassau als Landesherren von Napoleons Gnaden 1806 endgültig an das Haus Wied zu Neuwied, das nun auch für den Unterhalt des Pfarrers zuständig war. Als letzter Mattheiser Mönch versah Martin Hewel bis zu seinem Tod 1832 die Seelsorge in Villmar. Einen neuen Aufschwung nahm das kirchliche Leben ab 1869, als dem Limburger Domvikar Johannes Ibach die wohldotierte Pfarrei Villmar übertragen wurde, wo er bis zu seinem Tod 1908 segensreich wirkte. Er ließ die Pfarrkirche zweimal renovieren, den 1884 durch Blitzschlag zerstörten Turmhelm im neugotischen Stil wieder aufbauen und gewann im gleichen Jahr durch einen Ablösungsvertrag mit dem Haus Wied den gesamten Pfarrhof für die Pfarrei zurück. Das baufällig gewordene „Kellerei“ genannte Pastorat aus dem 15. Jh. ließ er abreißen und nach Plänen des Diözesanbaumeisters Max Meckel auf verkleinertem Grundriss unter Einbeziehung des alten Festungsturms das heutige Pfarrhaus errichten. Intensiv förderte Ibach das geistliche Leben durch Gründung von Bruderschaften und Verbänden. 1890 gründete er den „Katholische Volksverein“ Villmar, der als früher Vorläufer der heutigen KAB gelten kann. Anstelle der 1879 abgebrannten „Kornscheuer“ entstand 1904 eine Niederlassung der Dernbacher Schwestern, die für die kommenden Jahrzehnte bis 1986 vom Kindergarten bis zur Kranken- und Altenpflege zum Wohl der Menschen im Dienst der Nächstenliebe wirken sollten.

Unter Pfarrer Nikolaus Homm wurde die Kirche 1957 erweitert und darunter ein Pfarrsaal eingerichtet. 1960 fand der Kindergarten am Platz der „Haberscheuer“ ein neues erweitertes Domizil und in die ehemaligen Stallungen zogen Jugendräume und die 1872 gegründete Pfarrbücherei ein. In den 1990er Jahren wurden weitere Räume für die Kita im Erdgeschoss des Schwesternhauses eingerichtet, jetzt für die Krippengruppe genutzt und 2016 renoviert und erweitert. Hinzu kommen im Jugendheim Räume für Müttertreff, Krabbel- und Spielgruppe. Die seit den 1960er Jahren von der Ev. Kirchengemeinde Runkel für den Gottesdienst genutzte Kapelle des Schwesternhauses ist ein Beispiel praktizierter Ökumene. Pfarrer Günter Daum förderte in seiner Amtszeit die Umwandlung des Pfarrgartens in eine Stätte der Begegnung und Kultur. Unter tatkräftigem Einsatz Ehrenamtlicher wurden sämtliche Mauern saniert und dank großzügiger Mittel der Denkmalpflege und Spenden der Bevölkerung konnten Pfarrgartenturm und Marmorbrunnen renoviert werden. Vom Zeltlager Jugendlicher aus der Partnerstadt Králíky über Theateraufführungen und Konzerte bis zu größeren festlichen Anlässen wurde das „grüne Herz“ Villmars ein beliebter Treffpunkt aller Generationen weit über den Kreis der Kirchengemeinde hinaus.

Nach den Standortentscheidungen für die zentralen Einrichtungen der neuen Pfarrei musste ein Zukunfstskonzept für den Villmarer Pfarrhof entwickelt werden. Das Pfarrhaus mit Pfarrgarten wurde an den Marktflecken Villmar veräußert, so dass die kulturelle Mitte Villmars weiter für zivile wie kirchliche Nutzung erhalten bleibt.